A-DIEU

Totenzettel für Hans Günter Bender

 

Predigt zum A-DIEU – zum Abschieds- und Auferstehungsgottesdienst

von Spiritual Dr. Hans Günter Bender

am 6.11. 2017 im Münster von Mönchengladbach

 

Liebe Inge, liebe Wegbegleitende,

liebe Freundinnen und Freunde von Hans Günter Bender!

 

Ich bin heute traurig, froh und voller Dank!

 

Traurig, denn so, wie wir Hans Günter in diesem Leben kannten, erlebten, mit ihm waren, so wird es nicht mehr sein.

Froh, weil und wie uns Hans Günter heute hier, in dieser Kirche, die ihm so viel bedeutete, zusammen bringt.

Voller Dank über sein Leben, seine Art zu leben, als Begleiter, als Priester, als Lehrer, mehr noch, als Mensch, im Tiefsten und voller weiter Beziehungskraft, als Freund.

 

So zeigt es auch das Bild von HAP Grieshaber, das den Totenzettel für Hans Günter heute prägt, über den Worten von Hans Günter:

 

„GOTT IST LIEBEN

UND WIR SIND EINGELADEN

MITZULIEBEN“

 

Zwei Menschen, einander zugewandt, der linke Mensch zwar größer und im strahlenden Kranz, wir ahnen Dich HEILIGEN, aber im Sitzen auf einer Höhe, der Mensch rechts in Beinbewegung auf den Menschen links zu, der Mensch zur Linken, zart berührend die aufnehmenden Hände, und aus der Herzhand, wie aus einem unendlich offenen Winkel der Arme, im warmen gelborangen Licht, der Kelch inmitten, der Geber ist die Gabe.

Dieses Bild hängt im Rücken von Hans Günters Schreibtisch, wie eine Gestalt gewordene Zentraleinsicht ins Leben, fürs Leben.

So geht es, wenn Leben gelingt.

 

Als ich ihn  in den letzten Wochen einige Male im Bethesda-Krankenhaus hier in Mönchengladbach besuchte, er war voller Achtsamkeit begleitet von Inge Jansen und Krystian Hermans, was ihn in aller Schwächung mit großer Dankbarkeit erfüllte, da breitete er mehrfach die Arme im Bett weit aus und sagte leise:

„Ich kann nicht mehr!“

Darin bejahte er das Leben. Auch das hat er wiederholt gesagt, als das Sprechen ihm zunehmend schwer fiel.

Zuletzt sagte er mir, als wir einander segneten und küssten:

„ICH DANKE ALLEN!“

Er hat ausgeatmet, im Schlaf, die Kräfte waren aufgebraucht.

Eine längere Zeit an den Apparaten blieb ihm erspart.

In mir sind Lieben, Dank, Trauer und auch Erleichterung.

Ausatmen.

Auf sein Sterben hin sagte er in den letzten Jahren öfter, zur Frage, was er erwarte: „Ich bin neugierig.“

Vor dem Tod hatte er keine Angst.

Ein zehrendes Sterben, das wollte er nicht.

Bis auf diese letzten Wochen hatte er ein geistvolles, von tiefer Menschenkunde und aufmerksamer Wachheit durchzogenes Leben.

Er war als Begleiter in Gesprächen gesucht und von besonderer Gabe bis ins neunzigste Jahr.

Als Theologe konnte er überkommene, nicht mehr tragfähige, Illusionen aufgeben.

Die mystische Philosophie war ihm wesentlich.

Zugleich war da auch das Gotteskind in ihm, ein niederrheinisch weiter katholischer Glaube in der besten Weise seiner weitesten Form.

„Der Niederrheiner weiß nichts, kann aber alles erklären.“ Diesen Satz von Hanns Dieter Hüsch hat er in beiden Teilen voll durchlebt.

Als ich mich letzte Nacht in Hans Günters Zimmer in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen des letzten Jahres fest las, da fand ich ein Stelle, die, in aller gebotenen Diskretion, hier doch wohl sagbar ist, um diese Art des niederrheinischen Universalismus zusammen zu bringen.

Am 19.11. 2016 heißt es da:

„Borussia 1 : 0.“

Und in der Zeile darunter:

„Therese von Lisieux: Nur die Liebe!“

So kommt es zusammen in ihm, aus ihm.

Daran hat er uns reichen Anteil gegeben, von seiner Zeit als Spiritual im Collegium Leoninum in Bonn bis in die Jahre als Geistlicher Begleiter und gesuchter Gesprächspartner, das Wort des Lebens verkündender und feiernder Priester hier in Mönchengladbach. Er hatte die erschließende und auch beglückende Gabe des Wortes in Predigt und Gespräch, aus dem Geist des Hörens in mitgehender Beziehung und so hilfreich.

Das Bistum Aachen in seinen Menschen ist durch ihn ganz außerordentlich geprägt – und weit über das Bistum Aachen hinaus ist Hans Günter ein Wegweiser für ein neues und waches und zuversichtliches Gottsuchen mit allen Sinnen und Gottfinden in allen Dingen, aufgeraut auch in der von ihm erkannten Notwendigkeit veränderten Denkens und Sprechens  da, wo alle Gottselbstverständlichkeit im Leben vieler Menschen weg ist, weg zu sein scheint.

Aus der intimen Erfahrung der

„Stimme verschwebenden Schweigens“ (1 Kön 19, 12),

aus dieser Durchkreuzung aller unserer selbstverständlichen Gotterfahrungen und Gottesworte, ahnt Hans Günter betend:

 

„DU gegenwärtiger Gott

fast immer vergessen

im Denken erinnert

DU, sei mit mir.

Lass mich mit DIR (einer gefüllten Leere) leben.

DU Nichts gegenüber dem, was ist.

DU der (absolut) Andere

Ehrfurcht und Demut geziemt Dir.

DU bist gegenwärtig; Du bist da – entsprechend Deinem Namen

„ICH – BIN – DA“ – „Der ‚ICH-BIN-DA-HAT MICH ZU EUCH GESANDT.’“

(Ex 3, 13-15)

So betet Hans Günter in letzten handschriftlichen Aufzeichnungen aus seinem Sterbejahr im Monat März:

 

„GOTT DU

AUS DIR

IN DIR

MIT DIR

DURCH DICH

ZU DIR HIN

leben

und

wenn möglich

lieben“

 

Veröffentlicht im Schreiben hat er wenig. Geschrieben hat er Tag um Tag. Wir, seine Schülerinnen und Schüler, sind seine Bücher.

Er suchte das LIEBEN – und wusste, dass das Wort LIEBE viel zu inflationär verbraucht benutzt wird.

Er konnte feiern, sein Lachen und sein Witz waren beherzt.

Als Spiritual sagte er manchmal, es gäbe zwei Dinge, die der liebe Gott nicht könne:

„Priesterkandidaten Vorträge halten

und einem Dackel gerade Beine machen.“

Auf die Frage, wie er die Aufgabe als Spiritual für junge Priesterkandidaten sähe, sagte er mitunter: „Meine Aufgabe ist vielleicht so, etwas daran mitzuwirken, dass die Normalen fromm werden und die Frommen normal!“

Nähe und Freundschaft waren für ihn nicht selbstverständlich, wenn ja, dann verband Hans Günter sich, der auch etwas Scheues in sich trug, ohne Wenn und Aber mit dem Freund, der Freundin.

So entstand über 32 Jahre unsere liebende Beziehung, zunächst der Spiritual und Geistliche Begleiter, der Lehrer, in den letzten 25 Jahren der geliebte Freund.

 

GOTT LIEBEN LEBEN

 

IN DER NÄHE DES NÄCHSTEN

 

BEJAHEND IM  M I T

 

so, vielleicht, lauten zentrale Worte seines Lebens.

 

Biblisch höre ich mit Dir, lieber Hans Günter:

 

„DU, Gott, gibst den Geist unbegrenzt.“ (Joh 3, 34)

 

von da her:

 

„Daran erkennen wir, dass wir in Gott bleiben und Gott in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat.“ (1 Joh 4, 13)

 

hin zu:

 

„IN DIR Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ (Apg 17. 28)

 

Das korrespondiert mit der wundervollen Liedzeile des Friedrich Spee SJ, die wir zum Zwischengesang heute, fast wie ein Mantra, gesungen haben:

„Dich wahren Gott ich finde / in meinem Fleisch und Blut.“

 

Hans Günter vernahm daraus, dass der wesentliche Vorgang das Aufgeben des GEGENÜBERGOTTES zweier Welten sei, im Leben und Sterben und WEITER LEBEN IN DER EINEN WIRKLICHKEIT, JE MEHR (M A G I S), und die Ablehnung und das Aufgeben des WILLKÜRGOTTES, der die einen jaht, die anderen neint, von Kain und Abel angefangen.

Er öffnet darin und so Horizonte.

Er lebt der Kirche den Dienst ihrer Entgrenzung. NICHTS UND NIEMANDEN AUSSCHLIEßEN, wirklich universal Weltkirche sein, die Mauern abbauen, die Grenzen öffnen, solidarisch, mutig, zärtlich, in der Freude des Teilens, so je mystischer je politischer, je politischer je mystischer, Papst Franziskus ganz nahe, aus dem ZUVOR der je größeren EINUNG GOTTES (in der Kommunion je und heute im Fest gefeiert) mit uns und in uns. Da ist er dem Geist des Meister Eckhart verbunden, eins in der GOTTESGEBURT in jeder und jedem – und so im BLEIBEN IM LIEBEN vereint mit Jesus, dem Bruder und Freund und so der Gottesherzseite in allem gegenwärtig.

 

In ein HAIKU gebracht:

 

ÖFFNE DEN RAHMEN

 

UND VERNIMM, ES GIBT IHN NICHT

 

ES IST NUR DEINER

 

Hans Günter, Du hast das in aller Tiefe und zärtlichen Diskretion und so ganz weit geahnt, nie gewusst – aber wirklich und sehr glaubwürdig erspürt:

 

Wir sind aus Gott gemacht.

 

DU, jetzt DU, lieber Hans Günter,

vernimm

in Deiner nun verwandelten Gegenwart

in der Gegenwart

ohne Anfang und ohne Ende

die wir, mitunter stammelnd, tastend, voller Sehnen und Ahnen im Suchen GOTT nennen,

 

GOTT DU,

 

Hans Günter, vernimm

im „DU GOTT“

diesen Ruf zu Dir hin:

 

Hans Günter, WIR LIEBEN DICH!

 

unvertretbar DICH, DU, geliebter Begleiter, Lehrer und Freund

 

und gottverbunden

hier und jetzt schon

wir, jede und jeder

 

mitten

je

immer schon

 

im LIEBEN GOTTES

 

können wir

 

die große Einladung vernehmen, und, wenn möglich annehmen: MITZULIEBEN

 

aus und in der unermesslich je größeren ZUSAGE

 

geheimnisvoll

im unendlichen

LEBEN GOTTES

hier und jetzt

 

 

österlich zu feiern und alltäglich zu leben, die Zusage und Verheißung ohne Maß:

 

alle sind dabei

 

niemand geht verloren

 

hoffentlich

 

AMEN.

 

 

Markus Roentgen

Klaus Ahlert: Bildnis Hans Günter Bender 1987